Völker leert die Regale
Michael Schneider
Eine deutsch-deutsche Narren-Revue
Uraufführung: 1993 an den Städtischen Bühnen Münster.
Regie: Dieter Neuenburg
Handlung
Hauptfiguren dieser Farce sind zwei Narren, eine Ost-Närrin und ein West-Narr. In einer einleitenden Travestie auf ‚König Lear’ entlarvt die Ost-Närrin die groteske Verblendung des letzten Machthabers König Zony, der glaubt, es gehe immer noch bergauf. Kurz vor der Wiedervereinigung geht sie in den Westen und will sich dort um die Hofnarren-Stelle in Bonn bewerben, wo König Molly residiert. Der wiederum möchte sich seines in Ungnade gefallenen altlinken Hofnarren so schnell wie möglich entledigen. Wer also ist der klügere und weisere Narr von beiden? Um diese Konkurrenzlage zu klären, wird die einzig verbliebene Hofnarrenstelle im „einig Vaterland“ neu ausgeschrieben. Beide Narren erhalten den Auftrag, in die neuen Bundesländer zu reisen, um nach ihrer Rückkehr zu beweisen, wessen Witz und Weisheit der Zeit am nächsten kommt.
Anfangs können sich Ost-Närrin und West-Narr nicht ausstehen und liefern sich sarkastische Wortgefechte, da jeder nur die ideologischen Scheuklappen des anderen sieht, nicht aber die eigenen Vorurteile erkennt. Doch im Zuge der Reise nähern sie sich peu à peu einander an. Zuletzt sind sie so ernüchtert und desillusioniert - vor allem über die Art und Weise, wie „Deutschland-Ost brüderlich an Deutschland-West verteilt wird“ -, dass sie nicht mehr an den Bonner Hof zurückkehren.
Pressestimmen
Michael Schneiders deutsch-deutsche Farce ... beginnt mit der sanften Revolution von 1989 und erzählt von den Hoffnungen des Aufbruchs und davon, wie sie enttäuscht wurden. ... Anstöße zum Schmunzeln und Nachdenken gibt es reichlich.“ Hans Jansen, Westdeutsche Allgemeine Zeitung
„Michael Schneiders Farce ‚Völker leert die Regale!’ erweist sich als ironisch bitterböse Posse, die manch unbequeme Wahrheit und tiefere Einsicht auf den Punkt bringt. Republikflucht, Monopoly und Tollhaus verknüpft der Autor kaleidoskopartig zu jenen dramatischen Ereignissen, die die politische Landkarte Europas wie auch das zwischenmenschliche Klima in diesem Land so nachhaltig verändert haben.“ Wolfgang Morisse, Die Glocke
„Das Stück ist in Versmaß, Songeinschüben und chorischen Elementen von Brecht inspiriert, es enthält auch dessen moralisierenden Gestus. ... Alles in allem jedoch handelt es sich um ein ansprechendes Unternehmen, das sich durchaus abhebt von jüngeren Versuchen, das Thema der deutschen Einheit spekulativ-melodramatisch anzugehen.“ Klaus Finke, Westfälische Zeitung
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