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Die Telekratie – „der unblutigste und effizienteste Terrorismus der Geschichte“ (Botho Strauss)

Es gibt im Prinzip zwei Möglichkeiten, eine demokratische Zivil- und Bürgergesellschaft zu unterminieren und am Ende zu ruinieren.
Die eine besteht darin, die Gesellschaft einem autoritären, despotischen oder totalitären Staat zu unterwerfen; dies haben wir in der jüngsten deutschen Geschichte in zwei verschiedenen Varianten erlebt. Die andere, historisch neuartige und darum umso gefährlichere Möglichkeit besteht darin, Politik und Gesellschaft der „Diktatur der Ökonomie“ (Viviane Forrester)und deren Imperativen (sog. Sachzwängen) zu unterwerfen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt durch radikale Entstaatlichung und durchgreifende Privatisierung - nicht nur der Gewinne, sondern auch der sozialen und beruflichen Lebensrisiken, der Ausbildung, der Gesundheit, der Altersvorsorge etc. - sowie durch extreme Individualisierung der Lebensstile, durch Atomisierung und Monadisierung der gesellschaftlichen Subjekte gleichsam von innen her aufzulösen.
Nicht nur in der Zerstörung des Sozialstaates, sondern auch in dieser umfassenden Demontage des Solidaritätsprinzips liegt die zerstörerische Wirkung neoliberaler Ideologie und ihrer ökonomischen Doktrin, die in ihrer Rigidität und Radikalität durchaus dem Wesen fundamentalistischer Glaubenssysteme vergleichbar ist.

Die schön geredete Katastrophe 10.04.2003

EINE DRITTE EXEKUTION
Der erste Golfkrieg und das folgende Embargo hatten bereits verheerende Auswirkungen für die irakische Zivilbevölkerung - ein neuer Krieg wäre ein Akt von Barbarei

Die amerikanische Paranoia und der permanente Krieg 27.04.2003

Unter Linken und Kriegsgegnern besteht wohl Einigkeit darüber, dass die USA ihren war on terrorism längst zur Durchsetzung ihrer geostrategischen Öl-Interessen und zum definitiven Ausbau ihrer globalen Hegemonie instrumentalisiert haben.
Es sind jedoch auch innenpolitische Gründe, die den erklärten, zeitlich und räumlich unbefristeten „Kreuzzug gegen die Achse des Bösen“, aus der Sicht der extremen amerikanischen Rechten, die jetzt an der Macht ist, notwendig machen. Es geht nämlich auch - und nicht zuletzt - um den gefährdeten Zusammenhalt einer Nation, die sozial und ethnisch tief gespalten ist, einer Nation, die ständig mit Bildern und Metaphern des Krieges gefüttert wird und ihn daher mit einer gewissen Zwangsläufigkeit auch aus sich selbst heraus gebiert. Der Krieg war schon immer, besonders in Zeiten wirtschaftlicher Krisen und sozialer Verwerfungen, ein genialer Demiurg und Ablenkungskünstler, der innere (nationale) Einheit vorgaukelt, indem er den Zwiespalt, die Gewalt und Zerstörung nach außen trägt.

BIG BROTHER oder >Gedankenpolizei< im Land der unbegrenzten Möglichkeiten 26.07.2003

George Orwells berühmter Roman 1984 zeichnet das Schreckensbild eines totalitären Staates, der zur völligen Überwachung des Individuums und schließlich zu dessen Auslöschung führt. Bislang waren wir gewohnt, Orwells düstere Geschichte und das Schicksal seiner Hauptfigur Winston Smith, der einer systematischen Gehirnwäsche unterzogen wird, als Abrechnung mit dem stalinistischen Totalitarismus zu lesen, zumal der »Große Bruder« unverkennbare Züge des sowjetischen Diktators trug.

ISRAEL MUSS SICH ENTSCHEIDEN 15.10.2003

Nach den jüngsten palästinensischen Selbstmordattentaten als Reaktion auf die gezielte Liquidierung hoher Hamas-Funktionäre durch die israelische Armee und der Ankündigung des Kabinetts Sharon, Jassir Arafat ins Exil zu zwingen, droht die Lage im Nahen Osten vollends zu explodieren. Wenn Israel jetzt den einzig möglichen Verhandlungspartner auszuschalten sucht, wird nicht nur die Road Map zum Rohrkrepierer, dann werden in den besetzten Gebieten nur noch die Milizen und die Gewalt der Straße regieren.

Aus aktuellem Anlass - der Debatte um die 68er und das umstrittene Buch von Götz Aly - habe ich einen Schlüsseltext der 68er, nämlich Bernward Vespers autobiografischen Roman “Die Reise” wiedergelesen...

Rebellion und Suizid

Über Bernward Vespers »Die Reise« und die psychische Erbschaft der Nazi-Väter

Von Michael Schneider

 Unter den zahlreichen Publikationen zum 40jährigen Jubiläum der 68er -Revolte hat kein Buch solche Wellen geschlagen und gleichzeitig so heftigen Widerspruch ausgelöst wie Götz Alys Pamphlet mit dem suggestiven Titel „Unser Kampf 1968“. Seine bizarre, wohl vor allem auf den öffentlichen Eklat berechnete These, die „68er“ seien in Wahrheit die Widergänger der „33er“ und die Studentenrevolte ein Spätausläufer des deutschen Totalitarismus gewesen, hat Aly, der damals selbst zu den Aktivisten der Berliner „Bewegung“ gehörte und Mitglied der RAFnahen „Roten Hilfe“ war, zu Recht den Vorwurf eingetragen, „sich als Historiker selbst desavouiert zu haben“ (so Klaus Theweleit in einer 3-sat-Talkrunde), “sein höchst subjektives Ressentiment in den strengen Mantel der Fußnotenwissenschaft gekleidet zu haben“ (so der Historiker Axel Schildt in der „ZEIT“) und „statt seinem eigenen Schuldgefühl nachzugehen, sich in einen Generalverdikt geflüchtet zu haben“ (so mein Bruder Peter Schneider in der „Frankfurter Rundschau“.)

Mit seinem furorhaften Vergleich von 1933 und 1968 und der denunzierenden Verallgemeinerung, die alle emanzipativen Inhalte und Antriebsmomente der 68er-Bewegung negiert- von der überfälligen Reform der Ordinarienuniversität bis zum Engagement gegen die Notstandsgesetze und gegen den amerikanischen Völkermord in Vietnam-, hat es Aly seinen Kritikern allerdings leicht gemacht. Hätte er seine These, in der viel projektiver Selbstekel zu stecken scheint, nicht zum medienwirksamen Generationenvergleich aufgeblasen (als sei Rudi Dutschke ein Widergänger von Göbbels gewesen) , könnte man ihr nämlich einen partiellen Wahrheitsgehalt durchaus zubilligen. Mindestens für die RAF , dem terroristischen Stiefkind der „68ger“-Bewegung, und für das beträchtliche Umfeld ihrer damaligen „Sympathisanten“ trifft seine Feststellung durchaus zu: „Sie verachteten- im Geist des Nazi-Juristen Carl Schmitt- den Pluralismus und liebten- im Geiste Ernst Jüngers – den Kampf und die Aktion.“ Nicht wenige der 68er-Rebellen, die sich als Opfer ihrer NS-Väter begriffen, haben deren Fühlen und Denken unbewusst inhaliert und sich, nach ihrem politischen Erwachen, dem „Mythos der Tat“ verschrieben, andere sind seelisch an dieser fatalen Erbschaft zerbrochen und haben Selbstmord verübt. weiterlesen

Die Rückkehr der Engel

Ein (Weihnachts)Märchen

Es war einmal ein kleiner namenloser Teufel, der bei einer großen Investmentbank

angestellt war…

Wenn ich „Teufel“ sage, meine ich natürlich nicht den alten, mit Spieß und

Dreizack bewehrten Teufel des Mittelalters, der Feuer spukte und fürchterlich nach

Schwefel stank. Unsere modernen Teufel sind äußerst zivilisiert, sie tragen keine

Hörner mehr, sondern gegelte Igelfrisuren, wenn sie nicht glatzköpfig sind, sie gehen

in Leder oder Nadelstreifen, bevorzugen randlose Brillen und wohlriechende

Deodorants. Im Gegensatz zu ihren ungehobelten Vorgängern sind sie im Umgang mit

ihren Kunden äußerst höflich und zuvorkommend. Auch benutzen sie viel effizientere

Waffen als Spieß und Dreizack: nämlich elegante kleine, flache Hartplastikboxen, die

sie „Laptop“ nennen und vermittels derer sie unfassbar große Geldstrme in

Nanosekunden um den Erdball schicken können. Ihre eigentliche Passion - darin sind

sie ihren gehörnten Vorgängern treu geblieben- ist noch immer das Gold, das liebe

Geld- und wie man es am schnellsten vermehren kann! Der Köder, mit dem sie die

Seelen fangen - auch die Seelen der frömmsten Christenmenschen-, prangt in goldenen

Lettern auf allen Plakatsäulen, auf allen Werbeprospekten und Internetportalen: „Lasst

euer Geld arbeiten!“ (Als ob Geld arbeiten könnte!) Und so haben sich Habsucht und

Gier, wie in früheren Zeiten die Pest, über den ganzen Globus verbreitet und selbst

diejenigen Menschen und Völker angesteckt, die bislang ein genügsames und

geruhsames Leben führten. weiter

 

Ein Tribunal für Zocker und Finanz-Terroristen

Von Michael Schneider

Es scheint bezeichnend für die grossen Umbrüche der Menschheitsgeschichte zu sein, dass

sie – von einzelnen Stimmen abgesehen, die aber meist ungehört verhallen- nie wirklich

vorausgesehen oder vorausgedacht werden, sodass die herrschenden Machteliten von ihnen

ebenso überrascht werden wie die scientific community. Das gilt für den epochalen Umbruch

von 1989, der Selbstimplosion des staatssozialistischen Weltsystems, ebenso wie für den

rasanten Zusammenbruch des Weltfinanzsystems im Herbst letzten Jahres. Im Nachhinein

könnte man sagen: Der Staatssozialismus sei nur früher krepiert als der finanzmarktgetriebene

Turbo-Kapitalismus.

Doch Vorsicht! Während jener unter teils hämischen, teils resignativen Nachrufen

wirklich zu Grabe getragen und beerdigt wurde, haben wir es bei diesem nur mit einem

Scheintoten zu tun, der gerade wieder mit allen Mitteln, unter ungeheuren Aufwendungen und

Subventionen der öffentlichen Hand reanimiert wird.. weiter

 

 

Zum 20. jährigen Jubiläum des Mauerfalls hielt ich im vollbesetzten Pariser Hoftheater in Wiesbaden einen den folgenden Vortrag - eine gemeinsame Veranstaltung von Attac- Wiesbaden, der Rosa-Luxemburg-Stiftung und des Pariser Hoftheaters:

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1989- Ende eines Jahrhundertmythos?

Ketzerische Gedanken über die Vergangenheit und Zukunft des

Sozialismus*

Von Michael Schneider

Vor 20 Jahren, im zweihundertsten Jahr der Französischen Revolution, haben

die osteuropäischen Völker ein Jahrhundert abgewählt. Das Gespenst des

Kommunismus, das zu Zeiten von Marx und Engels in Europa umging, war

innerhalb weniger Monate untergegangen. Die geglaubt hatten, dass ihm die

Zukunft gehörte, rieben sich fassungslos die Augen. Wenn die Welt sich

schneller als die Weltbilder ändert, wie soll man da auch nicht aus dem Lot

geraten? Was bleibt vom Sozialismus? fragen sich seither all diejenigen, für

die dieser Begriff nicht nur ein Weltbild konstituiert hat, das jetzt in Scherben

lag, sondern auch ein bestimmendes Element ihrer politischen Biographie und

Arbeit gewesen ist.

Für die Sieger im Systemkampf und ihr multimediales Dienstpersonal war die

Antwort klar: Man kann den Sozialismus abschreiben. Zugleich mit den real

existierenden Sozialismen haben sich auch Idee, Utopie, Ethik, Menschenbild

und Programm des Sozialismus für alle Zeiten erledigt. Und die Erfinder

dieses Programms und die Initiatoren dieser Bewegung, die in die Irre führte

— so Ralf Dahrendorf in der ZEIT —‚ haben fortan ihren Platz im Museum der

Geistes- und Sozialgeschichte, auch wenn ihnen edle und uneigennützige

Motive durchaus nicht abgesprochen werden. weiter

 

 

 

© 2008 Michael Schneider - 65597 Hünfelden